Fachkräftemangel: Herausforderung in Metall- und Automobilindustrie

Mann sitzt in weißem Oberteil mit gefaltenen Händen vor dem Gesicht und denkt besorgt über Herausforderung wie Fachkräftemangel nach.

Der allgemeine Fachkräftemangel ist für viele mittelständische Unternehmen in Deutschland seit Jahren ein ernsthaftes Problem. Davon bleiben auch die technischen Berufe in der Metall- und Automobilindustrie innerhalb von NRW nicht verschont. Vielleicht haben Sie das schon am eigenen Leib erfahren?

Die Einschätzungen sind jedoch unterschiedlich: Einige Berichte lesen sich so, als stünden ab morgen vor lauter Fachkräftemangel die Bänder still. Andere Berichte wiederum besagen, ein Fachkräftemangel sei nicht ersichtlich.

Besteht jetzt Grund zur Sorge oder wird die Situation schlimmer dargestellt als sie ist? Wie kritisch ist die Situation wirklich? Und welche Auswirkungen hat ein Fachkräftemangel für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in NRW?

Wenn Sie wissen möchten, welche Maßnahmen Sie gegen Fachkräftemangel einleiten können, dann lesen jetzt diesen Artikel.

Fachkräftemangel aus Sicht der IHK von NRW

Die Industrie- und Handelskammer in Nordrhein-Westfalen berichtet seit Jahren über Fachkräftemangel und seine Folgen für die deutsche Wirtschaft. Im Konjunkturbericht Nordrhein-Westfalen 2019 der IHK sahen die Unternehmen den Fachkräftemangel als Hauptrisiko für einen Wachststumsstopp der Konjunktur. Dies bleibt meiner Einschätzung nach nicht ohne Folgen, gilt NRW doch als industrielle Kernregion Deutschlands.

Umsatzverteilung Metall- und Automobilindustrie, Quelle: IHK, Konjunkturbericht NRW 2019, Grafik: Tobias Schütte

2018 erwirtschafteten die ansässigen Industriebetriebe hier in den ersten drei Quartalen laut Statistischem Landesamt IT.NRW 248 Mrd. Euro Umsatz. Davon setzte allein die Metall- und Automobilindustrie 168 Mrd. Euro um. Man kann sich leicht vorstellen, dass ein Fachkräftemangel für diesen Industriebereich einen starken Umsatzeinbruch würde.

Angebot und Nachfrage

Der von der IHK NRW bereitgestellte Fachkräftemonitor bietet einen sehr guten Überblick über die Fachkräftesituation aller Berufsgruppen und Branchen. Dabei werden auch Fachkräfteangebot und -nachfrage betrachtet. Hieraus lassen sich für die jeweiligen Jahre wiederum Rückschlüsse bezogen auf einen Fachkräftemangel ziehen.

Bedeutet steigender Fachkräftebedarf in NRW auch Fachkräftemangel?, Quelle: IHK, Fachkräftemonitor NRW, Grafik: Tobias Schütte

Ein nachlassender Fachkräfteengpass ist für die Berufsgruppen ‚Ingenieure des Maschinen- und Fahrzeugbaues‘ und ‚Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffsbautechnik‘ zu erkennen. Hier werden gemäß Fachkräftemonitor NRW ausschließlich Akademiker gesucht.

Jedoch sind vor allem die Bereiche Entwicklung, Maschinenbau und Metall von einem steigenden Fachkräfteengpass betroffen. Dies betrifft somit die Fachkräfte mit einer beruflichen Qualifikation wie zum Beispiel Facharbeiter, Techniker oder Meister. Somit belief sich für 2018 in diesen Berufsgruppen die Zahl der fehlenden Fachkräfte allein nur für NRW auf knapp 80.000 Menschen.

Die Ergebnisse stammen aus Unternehmensbefragungen der Handelskammer und darüber hinaus auch aus statistischen Erhebungen durch zum Beispiel Statistisches Landesamt NRW, Statistisches Bundesamt (Destatis) und natürlich der Bundesagentur für Arbeit, die auf eine ausgiebige neutrale Datenbasis zurückgreifen kann. Aus meiner Sicht sind dies unabhängige Quellen, weitestgehend frei von politischen Interessen.

Bundesagentur für Arbeit bestätigt Fachkräftemangel

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlicht regelmäßig für unterschiedliche Berufsgruppen Daten zum Stand des Fachkräftemangels. Mit Blick auf Deutschland wird hierzu jährlich eine Fachkräfteengpassanalyse erstellt, für die Bundesländer erfolgen monatlich separate Analysen.

In der Fachkräfteengpassanalyse, Veröffentlichung Dezember 2018, für Deutschland wird auf Seite 4 offiziell ein Fachkräftemangel für einige technische Berufsfelder bestätigt. Zusätzlich wird ein Engpass für mehrere neue wie beispielsweise aus der industriellen Gießerei, Metallbearbeitung, Metallbau oder Werkzeugtechnik aufgezeigt, welche der Metall- und Automobilindustrie zuzuordnen sind.

Und auch für NRW lassen sich die Aussagen auf die Berufsgruppen der Metall- und Automobilindustrie übertragen. In den Analysen werden für jede Berufsgruppe aus meiner Sicht zwei sehr wichtige Informationen/Zahlen zum Thema Fachkräftemangel veröffentlicht.

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit

Zum einen ist es die abgeschlossene Vakanzzeit. Sie sagt aus, wie viel Tage zwischen Besetzungstermin und dem Abmelden der offenen Stelle vergehen. Die zweite Information zeigt die zahlenmäßige Verfügbarkeit von Fachkräften der jeweiligen Berufsgruppe. Einfach ausgedrückt, wie viele Arbeitslose kommen auf 100 offene Arbeitsstellen. Besonders spannend wird es jetzt, wenn Sie sich die Entwicklung dieser beiden Zahlen ansehen.

Die Engpassanalysen von NRW zeigen in so gut wie allen Berufsgruppen einen Anstieg der abgeschlossenen Vakanzzeit.

Trend der Besetzungsdauer von offenen Stellen, Quelle: Engpassanlyse NRW, Bundesagentur für Arbeit, Grafik: Tobias Schütte

Besonders stark zeigt sich ein Anstieg der Vakanzzeit von Januar 2018 auf Januar 2019. Bei sinkender Arbeitslosenzahl wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dieser Trend weiter fortsetzen.

Zum anderen zeigt auch das Verhältnis der offenen Arbeitsstellen zu verfügbaren Fachkräften für die jeweiligen Berufsgruppen eine ähnliche Entwicklung.

Immer weniger Fachkräfte auf offene Stellen, Quelle: Berichte Engpassanlyse NRW, Bundesagentur für Arbeit, Grafik: Tobias Schütte

Auch hier ist ein deutlicher Trend ersichtlich. Bei Betrachtung der letzten drei Jahre lässt sich erkennen, dass in diesem Zeitraum wesentlich weniger verfügbare Fachkräfte auf offene Arbeitsstellen kommen. Das bedeutet, dass die Auswahlmöglichkeiten unter passenden Fachkräften immer kleiner werden.

Noch zwei wichtige Punkte sind bei den Analysen der Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen.

  1. Mindestens jede zweite offene Stelle wird der BA nicht gemeldet. Vor allem in höher qualifizierten Positionen ist dies der Fall. Auch fließen Ressourcen aus bestehenden Fach- und Hochschulstudiengängen und Ausbildungen nicht in die Analyse ein.
  2. Nicht jede gemeldete offene Stelle muss zwangsläufig einen Bedarf bedeuten, beispielsweise bei einer Arbeitnehmerüberlassung.

Beides gilt aber für alle Jahre und ändert somit nichts an der im Diagramm aufgezeigten Tendenz. Daher geben diese Zahlen einen recht objektiven Überblick über die Entwicklung der Fachkräftesituation in der Metall- und Automobilindustrie von NRW.

Besteht zurzeit ein Fachkräftemangel im Mittelstand?

Wenn man die Ergebnisse aus den Untersuchungen von IHK und BA betrachtet, lässt sich aus meiner Sicht diese Frage klar mit JA beantworten. Zusätzlich zeigt das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seiner Stellenerhebung die Anzahl der offenen Stellen für unterschiedliche Unternehmensgrößen. Hieraus lässt sich ableiten, dass sich der zunehmende Fachkräftemangel besonders stark auf den Mittelstand auswirken wird. Die IAB ist eine Forschungseinrichtung der BA und bei der Stellenerhebung im praxisnahen Austausch mit den befragten Unternehmen. So bildet das IAB die Brücke zwischen Theorie und Praxis.

In der nebenstehenden Abbildung ist zu sehen, dass deutschlandweit über 90% der offenen Stellen von Unternehmen mit bis zu 499 Mitarbeitern zu besetzen sind. 1.222.000 der offenen Stellen (über 83%) können insgesamt KMU zugeordnet werden.

Nur warum sind Neueinstellungen so schwierig?

Viele offene Stellen im Mittelstand lassen Fachkräftemangel vermuten, Quelle: IAB-Stellenerhebung, Grafik: Tobias Schütte

2018 erwirtschafteten die ansässigen Industriebetriebe hier in den ersten drei Quartalen laut Statistischem Landesamt IT.NRW 248 Mrd. Euro Umsatz. Davon setzte allein die Metall- und Automobilindustrie 168 Mrd. Euro um. Man kann sich leicht vorstellen, dass ein Fachkräftemangel für diesen Industriebereich einen starken Umsatzeinbruch würde.

Hürden bei Neueinstellungen

Für ein mittelständisches Unternehmen kommen erschwerend einige Barrieren bei Neueinstellungen hinzu. An vorderster Stelle stehen laut IAB die mangelnde Anzahl und die unzureichende berufliche Qualifikation von Bewerbern. Demgegenüber stehen Arbeitssuchende mit zu hohen Lohn-/Gehaltsforderungen und/oder fehlender Bereitschaft, die Arbeitsbedingungen zu erfüllen.

Immer weniger Bewerber bei sinkender Qualifikation, Quelle: IAB-Stellenerhebung, Grafik: Tobias Schütte

Im Gegensatz zu größeren Unternehmen ergeben sich für ein mittelständisches Unternehmen hierbei zwei Knackpunkte. Zum einen verfügt es hier oft nicht immer über die finanziellen Mittel, zum Beispiel wenn es darum geht, den Lohn- und Gehaltsforderungen der Bewerber zu folgen. Zum anderen erweist sich aber oft auch der geringe Bekanntheitsgrad als Hürde, um Bewerber auf sich aufmerksam zu machen.

Kundenorientierte Denkweise muss zu bewerberorientiertem Denken führen!

Aus diesem Grund ist es besonders für Sie als mittelständischer Unternehmer enorm wichtig, die individuellen Stärken in den Vordergrund zu stellen und weiter auszubauen. Individualität, Flexibilität und kundenorientierte Denkweise müssen auch auf den Arbeitsmarkt übertragen werden. Agieren Sie kundenorientiert und bewerberorientiert. Natürlich sind damit Anstrengungen verbunden, aber sie sind erforderlich um in der Zukunft weiter bestehen zu können.

Mir ist ein kleines Unternehmen bekannt, welches die richtigen Weichen gestellt hat: Das Unternehmen konnte innerhalb eines Jahres einen Auszubildenden und zwei weitere Mitarbeiter einstellen – und das bei einem eigentlich „leer gefegten“ Markt. Sowas passiert nicht von alleine, sondern ist das Ergebnis von effektiven Maßnahmen.

Was bedeutet das für Sie?

Um hier etwas zu verändern, ist ein Umdenken in der freien Wirtschaft erforderlich. Sie verfügt über den größten Handlungsspielraum im Vergleich zum öffentlichen Dienst, welcher durch den Staat reguliert ist. Das bedeutet, auch wenn es hart klingt: Als betroffener Unternehmer dürfen Sie sich nicht auf das Schlagwort „Fachkräftemangel“ zurückziehen. Um hier aktiv etwas verändern sind aus meiner Sicht zwei westliche Fragen zu betrachten:

  1. Wie kann sich ein Unternehmen proaktiv auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ausrichtet?
  2. Wie können Prozesse optimiert werden, um ein Unternehmen zu entlasten?

Nur wenn Sie aktiv an Ihrem Unternehmen arbeiten, können Sie auch Ihre eigene Situation verbessern.

Fazit

Wenn Sie sich die Ergebnisse der IHK und der BA ansehen, zeigt sich, dass das Thema Fachkräftemangel immer mehr Berufsgruppen betrifft. Das betrifft Deutschland insgesamt, aber auch die Metall- und Automobilindustrie von NRW. Daraus und aus der Darstellung der IAB ist ersichtlich, wie sehr sich der Fachkräftemangel auf den Mittelstand auswirken wird. Ich glaube, von einer Sache kann ausgegangen werden: Die Situation entspannt sich auch in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht von alleine.

Wenn für Ihr Unternehmen ein Fachkräftebedarf besteht, müssen Sie sich akut der Situation stellen. Natürlich gibt es von IHK, Verbänden und anderen Institutionen zahlreiche Forderungen an die Politik endlich Maßnahmen einzuleiten. Aber wann werden diese dann greifen? Können Sie als Unternehmer noch fünf, zehn oder fünfzehn Jahre warten bis sich durch Maßnahmen der Politik Ihre individuelle Fachkräftesituation verbessert?

Daher ist die Antwort auf eine ganz andere Frage viel wichtiger: Wie gehen Sie als Unternehmer mit dem Thema Fachkräftemangel um? Was können Sie tun, um diese Situation zu verändern?

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